Member Value induziert Public Value

Vom Fachtag des wohnbund e.V. „Wohnen, Nachbarschaft und Gemeinwesen im Wandel“am 17. Oktober in Hannover

Den Wandel aktiv zu gestalten, gesellschaftliche Potenziale zu nutzen und neue Qualitäten zu entwickeln, ist wesentliche Aufgabe des wohnbundes.

Seine Mitglieder tauschten und bündelten dazu am 17. Oktober in Hannover Ideen und Erfahrungen zur Weiterentwicklung. Eine der 5 Themenschwerpunkte behandelte dazu die genossenschaftlichen Potenziale und die Wirkungen von Genossenschaften auf die Entwicklung des Gemeinwesens (weitere Themen: Gemeinwohlorientiertes Wohnen, Quartiere und Diversität, Boden- und Liegenschaftspolitik und besondere Wohnformen).

Im Einführungsbeitrag verwies Frau Dr. Iris Beuerle vom Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen auf den entscheidenden Ausgangspunkt der Genossenschaften, ihr Alleinstellungsmerkmal: das Förderprinzip und die Identität von Eigentümer und Nutzer.

Zunächst führte die fruchtbringende Diskussion der ExpertInnen aus verschiedenen Fachrichtungen, moderiert von Dr. Iris Beuerle und Dr. Sonja Menzel, hin zu den entscheidenden Wurzeln von Genossenschaften (im Focus der Betrachtung standen dabei die Wohnungsgenossenschaften). Aus dem Förder- und Identitätsprinzip ergeben sich grundlegende das Gemeinwesen stabilisierende Merkmale. Dazu gehören vor allem:

  1. Wohnungsgenossenschaften entziehen Grundstücke und Gebäude der Spekulation. Sie bieten Schutz vor Fremdbestimmung und sind übernahmeresistent. Sie sind örtlich in Quartier, Stadtteil und Region fest verwurzelt. Deshalb sind sie oft stärker als andere Wohnungsunternehmen beständiger und verlässlicher Partner (vor allem auch der Kommunen) für langfristige Kooperationen zur Stabilisierung und Entwicklung hin zu lebendigen und zukunftsfesten Quartieren.
  2. Die Identität von Eigentümer und Nutzer impliziert die Ausrichtung der Genossenschaften auf Nachhaltigkeit (sozial, ökonomisch und ökologisch), auf bedarfsgerechtes Bauen und preiswertes, gesundes Wohnen. Davon profitiert alle im Gemeinwesen.
  3. Genossenschaften haben eine spezifische Dienstleistungskultur: das Zeug zum „Klassenbesten“. Der genossenschaftliche Geschäftsbetrieb ist per excellance Dienstleistungsbetrieb für seine Mitglieder.
  4. Genossenschaften implizieren durch ihre Struktur Beteiligung, Teilnahme an willensbildenden und organisatorischen Prozessen, systematische Kommunikation zur Hamonisierung der Interessen. Dabei handelt es sich um wesentliche zivilgesellschaftliche Elemente, die bei der Bewältigung des demokratischen Wandels gefordert sind und benötigt werden.

Die in den genossenschaftlichen Genen angelegten Merkmale und Prinzipien werden in der Praxis vor allem durch die traditionellen Genossenschaften unterschiedlich gelebt bzw. erfahren auch graduell unterschiedliche Ausprägung. Dabei nimmt es nicht Wunder, dass das Führungshandeln durch die Vorstandsmitglieder (deren genossenschaftliches Selbstverständnis) und wie dieses legitimiert ist, als ein zentraler und neuralgischer Punkt herausgehoben und fixiert wurde.

Frau Dr. Beuerle berichtete aus ihre reichen Erfahrungen, der Verknüpfung von genossenschaftswissenschaftlicher – und Bildungstätigkeit mit der wohngenossenschaftlichen Praxis, dass zum einen mehr und mehr traditionelle Genossenschaften für ihre Zielgruppen und häufig alle Bewohner in „ihren“ Quartieren Dienstleistungen anbieten und initiieren, zum anderen Wohngemeinschaften aufgenommen und gemeinschaftliche Wohnprojekte realisiert werden. Festzustellen ist die zunehmende Verantwortung von Genossenschaften im Stadtumbauprozess und das Anbieten von guten und benötigten Dienstleistungen von Wohnungsgenossenschaften für die einzelnen Mitgliedergruppen (im Alterungsprozess, Familien mit Kindern, Jugendliche, Mitglieder mit besonderem Unterstützungsbedarf), mit entsprechend positiver Ausstrahlung ins Gemeinwesen.

Immer mehr vor allem Genossenschaftsmitglieder (vor allem nach Phase der Berufstätigkeit) leisten vor Ort vielgestaltige und wichtige ehrenamtliche Arbeit, innerhalb der genossenschaftlichen Strukturen und darüber hinaus. Zugleich ist aber durchaus auch Nachholebedarf zu diagnostizieren (betr. noch viele Genossenschaften): der Selbst- und Mitgestaltungswillen der Mitglieder ist in gelingende Kommunikationsprozesse und organisatorische Strukturen zu gießen, ehrenamtliches Engagement braucht auch hauptamtliche Ansprechpartner, Moderation und Steuerung. Motivierend wirken Gestaltungsspielräume, erlebter Erfolg und Anerkennung für die Akteure.

Last not least subsumierten die TeilnehmerInnen des Thementisches „Genossenschaftspotenziale“: Genossenschaften, der Genossenschaftsgedanke und die Solidarische Ökonomie spielen in der gesellschaftlichen Diskussion eine wesentlich zu geringe Rolle ! In den Medien, in Schulen, Hochschulen und Universitäten, in Politik und Verwaltung. Damit hängt umgekehrt auch zusammen: Traditionelle und junge Genossenschaften, die viel Zukunftsfestes für das Gemeinwohl leisten, werden in ihrem Wesen oft nicht richtig gesehen und eine adäquate Anerkennung in der Öffentlichkeit fällt aus.

 

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