Der Bundesverein zur Förderung des Genossenschaftsgedankens e.V. hat die interessierte Fachöffentlichkeit zum Gespräch am Freitag, den 17. März 2023 nach Berlin eingeladen. Thema war die Umsetzung des Genossenschaftsgedankens in anderen Rechtsformen. Knapp 30 Expert*innen diskutierten, welche Ursachen und Argumente für andere Rechtsformen sprechen. Ziel war es, Hinweise zu gewinnen, um bessere Rahmenbedingungen für das genossenschaftliche Wirtschaften zu identifizieren und umzusetzen.
Den Gesprächsbeteiligten wurden gebeten, ihre Inputs vor dem Hintergrund der allgemeinen Grundsätze des Internationalen Genossenschaftsbundes (IGB) einzubringen. Diese sind:
- Freiwillige und offene Mitgliedschaft
- gleichberechtigte Mitgliederkontrolle
- Wirtschaftliche Partizipation der Mitglieder, begrenzte Gewinnausschüttung
- Autonomie und Unabhängigkeit
- Ausbildung, Fortbildung und Information
- Zusammenarbeit zwischen Genossenschaften
- Verantwortung für die Gesellschaft
Die eG aufwendig und teuer für Kleinbetriebe
In verschiedenen Beiträgen wurde, die GmbH & Co. KG, Verein, Verein mit GmbH als Tochter und diverse Varianten dargestellt. Dominante Motivation bei der Suche nach Alternativen zur genossenschaftlichen Rechtsform stellt eindeutig die Bürokratisierung der Rechtsform der eG und ihre Kosten dar. Für Kleinbetriebe ist sie oftmals zu teuer. Zudem wird bei allen Alternativen Mitgliederpartizipation wesentlich ausgeprägter umgesetzt, als dies mit der eG machbar ist. Hier besteht durch die Genossenschaftsnovelle von 1973 neben dem Aufwand für die für die Gründung der größte Reformbedarf. Damals wurde festgelegt, dass der Vorstand die Genossenschaft in eigener Verantwortung führt. Außer dem Demokratieprinzip verbunden mit der gleichberechtigten Mitgliederkontrolle (2ter Grundsatz IGB) und dem 4. Grundsatz „Autonomie und Unabhängigkeit“ haben die anderen Rechtskonstrukte fast immer Defizite bei der Umsetzung der übrigen sieben Grundsätze.
RA Angelika Majchrzak-Rummel, Beraterin für Wohnprojekte, Schwabach zeigte auf, wie die GmbH & Co. KG, vor allem für gemeinschaftliche Wohnprojekte nutzbar ist. Deutlich wurde, dass in diesem Fall nicht der Aufwand für die Entscheidung für eine solche Lösung ausschlaggebend ist. Die Konstruktion erweist sich eher als aufwendiger und teurer als die eG. Partizipation und Mitgliederförderung lassen sich aber stringenter verwirklichen. Motivationen liegen oft in der anderen Form der Eigentumsbeteiligung. Diese aber gleichzeitig auch zu begrenzen, gibt es immer wieder verschiedene Versuche. Dennoch lassen sich Ambitionen der Mitglieder, bei Ausstieg den Wertzuwachs vollständig zu realisieren, nicht klagefest verhindern. Offene Mitgliedschaft, und Kooperation stehen bei diesen Konzepten nicht im Mittelpunkt. Die Akteure verfolgen für sich selbst aber fast immer sehr weitgehende ökologische und preisdämpfende Ziele.
Gesellschaftliche Verantwortung leichter in anderen Rechtsformen
Dieses Anliegen weiter gefasst als Verantwortung für die Gesellschaft war bei den übrigen Ansätzen, mit Einschränkung häufig weitergehend als bei der eingetragenen Genossenschaft. In Deutschland wird das von vielen Genossenschaftsverbänden nur beschränkt für vertretbar gehalten: Mitgliederförderung und gesellschaftliche Verantwortung stehen nach den bundesdeutschen Interpretationen der Genossenschaftsidee teilweise in Widerspruch zueinander. Gerade dies hat aber bei Kindertagesstätten (Roland Kern, Daks e.V., Berlin) oder Bürgerdorfläden (Wolfgang Gröll, Bundesverband der Bürger- und Dorfläden e.V., Berg), die vorwiegend als Vereine organisiert sind, einen prägenden Stellenwert.
Von den bisherigten Ansätzen unterscheiden sich produktivgenossenschaftliche Konzepte teilweise grundlegend. Laut Rupay Dahm, Kollektivberatung, Berlin, greifen diese häufig auf Konstruktionen Verein mit GmbH zurück. Selbstverwaltung lässt sich so besser verwirklichen. Eine Weisungsbefugnis der Mitglieder gegenüber dem Vorstand ist bei der eG gesetzlich ausgeschlossen. Regelungsbedarf sieht Dahm hier vor allem bei gemeinsamem Eigentum und der Unverkäuflichkeit, die nach Vorstellungen der Gründungsgruppen nicht durch Mehrheitsbeschluss veränderbar sein darf. All dies kann auch in der eG geregelt werden, erfordert aber zusätzliche Satzungselemente, beispielsweise eine umfassende Liste zustimmungspflichtiger Entscheidungen seitens der Generalversammlung zu Beschlüssen des Vorstands. Laut Helmut Geißler, STATTwerke Consult GmbH, Berlin, zeigt die Novellierung des Genossenschaftsgesetzes von 2006 bei der Gründung neuer Kollektivbetriebe Wirkung: Mehr Initiativen greifen auf die eG zurück.
Weltweite Genossenschaftsbewegung als tragende Säule
Festhalten lässt sich: Die eierlegende Wollmilchsau bei den Rechtformen für eine genossenschaftliche Ausrichtung gibt es nicht. Jede der dargestellten Lösungen weist Stärken und Schwächen auf. Gleichzeitig lässt sich aber so gut wie jede Rechtsform genossenschaftlich gestalten. Für die eG bleibt trotz Novellierung von 2006 festzuhalten, dass Kosten, Bürokratie und Verwaltung weiterhin für Kleinkollektive und ausgeprägt gemeinwohlorientierte Ansätze abschreckend sind. Auch bestehen bei der Rechtsform der Genossenschaft Defizite besonders in den Themenfelder „Demokratie“ und „Verantwortung für die Gesellschaft“.
Als größtes Manko der anderen Ansätze als die der eG wird in der abschließenden Zusammenfassung festgehalten: Unternehmen, die sich unabhängig von der Rechtsform der eG nicht als Genossenschaften verstehen, „unterlassen“ die Einbindung in eine länderübergreifende Zuordnung zu einer gesellschaftlich sehr bedeutenden Bewegung, der Genossenschaftsbewegung. Sie klinken sich aus einer beeindruckenden Tradition aus: der gemeinsamen Arbeit an einer besseren Welt. Auf diese visionsstärkende Selbst- und Fremdzuordnung sollte nicht „fahrlässig“ verzichtet werden.
Dr. Burghard Flieger